Geschichte der Deutschen Eiche
Das Haus Deutsche Eiche wurde im Jahr 1864 erbaut, im selben Jahr bestieg der achtzehnjährige Ludwig II. den Thron des Königreichs Bayern.
Ab etwa 1800 wurde die zweite Stadtmauer Münchens abgerissen, und man begann die Stadt nach Norden hin zu erweitern (Reste der Mauer: Isartor, Karlstor, Sendlinger Tor). Auch das Gebiet des heutigen Gärtnerplatzviertels war durch die Nähe zum Viktualienmarkt, zum Rathaus und den Hauptkirchen interessant. Dennoch begann man erst ab 1860 mit der Bebauung, da die Hochwasser der Isar immer wieder die Gegend überfluteten. Durch Uferbefestigung und Stilllegung der meisten Stadtbäche (Nebenarme der Isar) war dann mehr Sicherheit gegeben. Erstmalig baute man hier nun Mehrfamilienhäuser in Reihenbauweise, sodass unser Viertel besonders dicht bebaut ist. Das spürt man vor allem im Sommer, wenn die Häuser die Wärme speichern und zum Umland oft hohe Temperaturunterschiede zu verzeichnen sind. Die Straßennamen hatte König Ludwig I. schon bei einer ersten Planung im Jahre 1830 festgelegt: Die Architekten Gärtner und Klenze, Hofmaler Cornelius und der Salinenrat und Ingenieur Georg von Reichenbach sollten durch Straßennamen geehrt werden.
1870/71 verlor Bayern seine Souveränität und wurde Teil des neuen Deutschen Reichs. Nachdem Bayern ab 1806 wegen der Unterstützung Napoleons in dessen Kriegen zum Königreich geworden war, bekam das Land eine entsprechend aufgeklärte Verfassung, in der das Thema Homosexualität überhaupt nicht vorkam. Mit dem Deutschen Reich galt nunmehr aber preußisches Recht und somit auch der § 175, der Homosexualität verbot – ausgerechnet unter dem homosexuellen Ludwig II.! Schließlich folgte 1871 auch noch der Deutsch-Französische Krieg, der dem Pazifisten und Frankreichverehrer Ludwig zutiefst zuwider war. Dieser Krieg wurde gewonnen, und vor lauter Stolz entstanden überall in Deutschland Deutsche Eichen. Viele bestehende Lokale wurden nach dem alten germanischen Symbol für Stärke und Ewigkeit umbenannt. Noch vor wenigen Jahren gab es in München fünf Deutsche Eichen – heute zum Glück außer unserem Haus nur noch eine weitere am Stadtrand. Ludwig II. umgab sich in seinen letzten Lebensjahren mit den groß gewachsenen, schick uniformierten Leichten Reitern (Soldaten), den Chevaux légers. Es ist eine Theorie, dass das Wort »schwul« von diesem militärischen Begriff herrührt. Die Bayern sprachen gern ihr eigenes »Französisch«: »Der Ludwig und seine Schwulischen!« hieß es alsbald.
Die Deutsche Eiche – Ein buntes Haus
In der Deutschen Eiche verkehrte schon immer ein buntes Völkchen. Es kamen Händler der Großmarkthalle, Metzger vom Schlachthof im Süden, aber wohl auch Prostituierte unter dem Regiment einer Zuhälterin namens Napoleon und natürlich viele Künstler. In den Jahren 1921 bis 1923 soll auch Adolf Hitler gern hier verkehrt haben, wie es hieß, wegen der Tänzer des Gärtnerplatztheaters, die sich hier ebenfalls gern trafen. Vieles spricht dafür, dass Hitler selbst verkappt homosexuell war und den § 175 nur deshalb verschärfte, um entsprechende Gerüchte abzuwehren, die immer wieder die Runde machten. Ab 1934 kam man nun oftmals bereits wegen einer Denunziation ins Gefängnis oder ins KZ, wo Homosexuelle den Rosa Winkel tragen mussten.
Wurzeln des Hotels
1928 gelang es der Deutschen Eiche, mit zwei der heute 36 Zimmer den Grundstock für den Hotelbetrieb zu legen. Bereits nach dem Zweiten Weltkrieg waren es 25 Zimmer, allerdings ohne jeglichen Komfort. Dieser niedrige Standard hielt sich leider bis in die Neunzigerjahre. Als die neuen Hausherren den Betrieb kauften, waren die Zimmer selbst zu Oktoberfestzeiten nur schwer vermietbar, denn keiner wollte mehr Bad und Toilette mit jemand anderem auf dem Stockwerk teilen. Heute ist die Deutsche Eiche ein Designhotel und erfüllt viele Kriterien selbst der Vier- und Fünf-Sterne-Kategorie (hierfür fehlen jedoch mehrere große Zimmer und Suiten). Als Drei-Sterne-Superior-Hotel siegte die Deutsche Eiche als erstes Münchner Hotel in der VOX-Serie »Mein himmlisches Hotel«.
Ein Künstler-Treff
Nach dem Zweiten Weltkrieg versammelten sich im urigen Wirtshaus Deutsche Eiche immer mehr Künstler, Dekorateure und buntes Volk, sodass es in der Süddeutschen Zeitung einmal hieß, die Deutsche Eiche sei ein Homosexuellentreff. Die damalige Wirtin Ella Reichenbach empörte sich: »So einen Schmarrn, was die da schreiben! Bei mir verkehren 90 Prozent Künstler und 10 Prozent von Frauen enttäuschte Männer!« Und das stimmte irgendwie auch. Aber es gab – von den Wirtinnen abgesehen – immer auch schon Frauen, die sich hier wohlfühlten. Viele werden sich noch an Margot Werner, Elisabeth Volkmann, Barbara Valentin oder Donna Summer erinnern, um nur einige von ihnen zu nennen.
Nach dem Krieg war es der Tänzer des Gärtnerplatztheaters Ernst Craemer, der die Faschingstradition der Eiche gründete. Es wurden Parodien mit den beiden Wirtinnen Ella und Tony als Hauptfiguren inszeniert. Noch heute gibt es Ende Januar und am Faschingsdienstag große Feste. Unsere Jungs üben dann ihre Art des »Tanzes der Marktweiber« ein – natürlich im Fummel!
In den Sechzigerjahren kam John Cranko, weltberühmter Ballettchoreograf, nach München. Auch er feierte mit seinen Leuten vom Nationaltheater lieber in der Deutschen Eiche. Ab 1974 wird die Deutsche Eiche zum »zweiten Wohnzimmer« von Rainer Werner Fassbinder. Von da an werden hier rauschende Filmfeste gefeiert. In »Satansbraten« und »Lola« kommt die Deutsche Eiche sogar als Location vor. Um seinem Stammlokal möglichst nahe zu sein, bezieht Fassbinder mit seiner großen Liebe Armin, der in der Eiche kellnerte, eine Wohnung gegenüber in der Reichenbachstraße 12, heute das Büro der Deutschen Eiche. In dieser Wohnung wurde »Deutschland im Herbst« gedreht, ein Film über die Zeit des RAF-Terrors.
Auch Freddie Mercury, einst Sänger der Gruppe Queen, lebte in den Achtzigerjahren in München und war gern zu Gast in der Deutschen Eiche. Leider ist der große Star auch ein trauriges Symbol für eine neue, sich epidemisch verbreitende Krankheit: Aids. Freddie starb 1991. In München sorgte in dieser Zeit Dr. Peter Gauweiler als Kreisverwaltungsreferent mit einem Maßnahmenkatalog für Aufsehen, mit dem er die Strukturen der »Homosexuellenszene« zerstören wollte. Heute sieht wohl auch er dies als Fehler an. Erst kürzlich lobte er die Initiative der Deutschen Eiche zur Wiedererrichtung des Ludwig-II.-Denkmals ausdrücklich.
Die neue Zeit
Durch Aids kam es zu einer deutlich erkennbaren Verunsicherung in der »Szene«. Viele gingen aus Angst vor Diskriminierung nicht mehr aus. Löwenbräu, die Besitzerin der Deutschen Eiche, reagierte entsprechend: Man beschloss, das Haus in ein Bürohaus umzuwandeln. Als sich dagegen großer Protest regte, wollte man die Immobilie schnell abstoßen. Ab Dezember 1993 hießen die neuen Hausherren dann Dietmar Holzapfel und Sepp Sattler. Von da an verging kein Jahr, in dem nicht irgendetwas umgebaut, erweitert oder verschönert wurde.
Heute ist die Deutsche Eiche das Schmuckkästchen der Straße. Wie die Gesellschaft, so hat sich auch die Klientel des Hauses geändert: Gäste aller Art kommen in die Eiche – Schwule, Lesben, Bisexuelle, Transgender, Heteros – und sie alle genießen genau das: die bunte Mischung! So wohnte der Familienvater und Nobelpreisträger Günter Grass hier, aber auch der Paradiesvogel Jean Paul Gaultier, der Autor Frank Schätzing mit Frau, Ulli Lommel, der James Dean der Fassbinderzeit, sowie Ralph Morgenstern, Thomas Hermanns, Nastassja Kinski, Ireen Sheer, um nur ein paar Namen zu nennen.
Das Badehaus
Ab 1995 entstand in zwei Rückgebäuden der Deutschen Eiche das erste Badehaus nur für Männer. Der Andrang war von Anfang an sehr groß. Mit viel Glück konnten in den folgenden Jahren immer wieder Gebäude dazuerworben werden, sodass sich das Badehaus heute über fünf Immobilien und vier Stockwerke erstreckt. Ein Dampfbad mit fünf Räumen, zwei finnische Saunen und ein großer Whirlpool sind genauso attraktiv wie die großzügigen Gastronomieflächen und Cruising-Areas. Weitere Flächen sind bereits in Planung. Im Monat kommen etwa 10 000 männliche Gäste aus aller Welt hierher, um sich zu erholen, zu entspannen, aber auch, um andere Männer kennenzulernen.
Die Dachterrasse
In München ist es nicht einfach, Baumaßnahmen genehmigt zu bekommen, die von der Norm etwas abweichen. Es war ein mehrjähriger Kampf, bis eine der schönsten Dachterrassen Münchens offiziell eröffnen konnte. Das Landesdenkmalschutzamt sah in der Baumaßnahme einen »verheerenden Einschnitt ins Gärtnerplatz-Ensemble«. Dieser Argumentation schloss sich die Baubehörde jedoch nicht an, und so können heute immer mehr Münchnerinnen und Münchner sowie Touristinnen und Touristen diesen herrlichen Ausblick über unsere schöne Stadt genießen. Fast täglich enden hier Stadtführungen verschiedenster Institutionen.
Fazit
Die Deutsche Eiche ist ein Konglomerat aus gemütlichem, bayerisch-internationalem Wirtshaus, schickem Designhotel, chilliger Dachterrassenbar und einem der größten schwulen Badehäuser Europas – und somit EINMALIG in der Welt!